Beginnen wir mit einem Blick in die Vergangenheit. Das Ehrenamt hat in Deutschland eine lange Tradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Damals waren es vor allem kirchliche Organisationen und Zünfte, die auf die Unterstützung von Freiwilligen angewiesen waren. Das moderne Ehrenamt entwickelte sich jedoch erst im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung soziale Herausforderungen mit sich brachte. Bürgerinnen und Bürger organisierten sich in Vereinen und Verbänden, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Diese Bewegung hat sich bis heute fortgesetzt und zeigt, wie tief das Ehrenamt in unserer Kultur verwurzelt ist.
Schauen wir uns nun die aktuellen Zahlen der Ehrenamtlichen in Rheinland-Pfalz an. In unserem Land sind über 3 Millionen Menschen ehrenamtlich aktiv. Das entspricht etwa einem Drittel der Bevölkerung. Diese eindrucksvolle Zahl verdeutlicht, wie bedeutend das Ehrenamt in unserer Gesellschaft ist und wie viele Menschen bereit sind, sich unentgeltlich für das Gemeinwohl einzusetzen.
Die Ehrenamtlichen in Rheinland-Pfalz sind in einer Vielzahl von Bereichen aktiv. Die Bandbreite reicht von Sport und Kultur über Umweltschutz bis hin zu sozialen Projekten. Dabei ist die Verteilung der Ehrenamtlichen keineswegs gleichmäßig. Ein großer Teil engagiert sich im sozialen Bereich, sei es in der Seniorenarbeit, in der Flüchtlingshilfe oder in der Kinderbetreuung. Andere setzen sich für den Naturschutz ein, unterstützen den Breitensport oder gestalten das kulturelle Leben in ihren Gemeinden. Diese Vielfalt zeigt, wie flexibel und anpassungsfähig das Ehrenamt in seiner Natur ist.
Das Ehrenamt steht zweifelsohne im Mittelpunkt unserer Gesellschaft. Menschen, die sich freiwillig und unentgeltlich engagieren, leisten einen unschätzbaren Beitrag zum Gemeinwohl.
Ehrenamtliches Engagement ist also zweifellos eine Ehre. Es ist die Möglichkeit, Gutes zu tun, sich für andere Menschen und die Gemeinschaft einzusetzen. Ehrenamtliche tragen dazu bei, soziale Probleme zu lösen, kulturelle Veranstaltungen zu ermöglichen und das Gemeinschaftsgefühl zu stärken. Das Ehrenamt bietet die Gelegenheit, Fähigkeiten und Talente sinnvoll einzubringen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Es kann eine Quelle der Zufriedenheit und des Stolzes sein, wenn man sieht, wie die eigenen Bemühungen Früchte tragen.
Soweit, so gut beziehungsweise soweit, so bekannt, denn man sollte auch – und das ist ja heute die Überschrift – einen kritischeren Blick auf das Ehrenamt werfen. Ist das Ehrenamt also nur eine Ehre oder birgt es auch eine Bürde?
Aus Sicht des Ehrenamtlers:
Und die drei Vs aus Sicht der anderen:
Jetzt wieder zu einer konkreteren Betrachtung hinsichtlich der Bürden:
Die Frage, ob das Ehrenamt eine Ehre oder eine Bürde ist, hängt oft von der persönlichen Perspektive ab. Es kann beides sein, und es liegt an jedem Einzelnen, wie er oder sie das ehrenamtliche Engagement erlebt. Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft die Rahmenbedingungen für das Ehrenamt verbessern, um die Bürden zu minimieren und die Ehre zu maximieren.
Trotz dieser potenziellen Gefahren ist es wichtig zu betonen, dass das Ehrenamt viele Vorteile bietet und für viele Menschen eine äußerst erfüllende und bereichernde Erfahrung ist. Um die negativen Auswirkungen zu minimieren, ist eine gute Organisation, angemessene Anerkennung und Unterstützung für Ehrenamtliche sowie klare rechtliche Rahmenbedingungen von entscheidender Bedeutung. Personen, die ehrenamtlich tätig sind, sollten sich ihrer eigenen Grenzen bewusst sein und sich nicht scheuen, Unterstützung zu suchen, wenn sie diese benötigen.
Die Verbesserung des Ehrenamts und die Unterstützung von Ehrenamtlichen sind wichtige Anliegen, um sicherzustellen, dass freiwilliges Engagement nachhaltig und effektiv ist. Hier sind einige Möglichkeiten, wie das Ehrenamt verbessert und Ehrenamtliche besser unterstützt werden können:
Die Verbesserung des Ehrenamts und die Unterstützung von Ehrenamtlichen erfordern eine kombinierte Anstrengung von staatlichen Stellen, gemeinnützigen Organisationen und der Gesellschaft insgesamt. Die Schaffung eines Umfelds, das das ehrenamtliche Engagement fördert und wertschätzt, ist von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass Ehrenamtliche weiterhin einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten können.
Dass aber auch der Gesetzgeber die Bürden des Ehrenamtes erkannt hat, zeigt folgender interessanter Gesetzesentwurf, aus dem ich auszugsweise zitieren möchte:
„Das Gesetz soll dazu beitragen, das zivilgesellschaftliche Engagement durch Entbürokratisierung und Flexibilisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erleichtern. Dadurch wird es den steuerbegünstigten Organisationen und den ehrenamtlich Tätigen möglich, ihre gesamtgesellschaftlich wichtige Aufgabe noch besser wahrzunehmen.
Mit dem Gesetz sollen folgende Ziele erreicht werden:
– Rechts- und Planungssicherheit für steuerbegünstigte Organisationen herstellen
– Verfahrenserleichterungen für die Mittelverwendung schaffen
– Optionen zur Rücklagenbildung und Vermögenszuführung eröffnen
– Haftung für ehrenamtlich Tätige beschränken– gesellschaftliche Anerkennung des Ehrenamts erhöhen“
Zitat Ende.
Das Gesetz trägt dann auch den sperrigen, aber sehr zutreffenden Titel: „GemEntBG-Gemeinnützigkeitsentbürokratisierungsgesetz“
Eherne Ziele also – aber leider blieb es nach meinem Kenntnisstand bislang bei einem Entwurf … und dieser ist schon über 10 Jahre alt Stand des Entwurfes: 25.10.12)
Packen wir es also gemeinsam an: Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler und Sie alle, liebe Gesellschaft!
Festrede anlässlich des 26. Löhndorfer Martinsmarkt 2023